Freitag ist Billie-Eilish-Tag: Was alles über ihr drittes Album bekannt ist (2024)

Vorab keine Single. Alles soll von den Fans auf einmal erlebt werden. Das ist bei der Veröffentlichung von Billie Eilishs neuem Album „Hit Me Hard And Soft“ nicht anders als vor knapp vier Wochen bei Taylor Swift. Swifts neues Album war dann zwei Tage vorm Release geleakt worden – machte nichts, die Sängerin hatte noch ein geheimes zweites Album am Start gehabt. Nach Beyoncé mit ihrem Spezialcountry auf „Cowboy Carter“ (29. März) und Swift mit „The Tortured Poets Department“ (19. April) ist Eilish nun schon die Dritte unter den führenden internationalen Popkünstlerinnen, die in diesem Frühjahr veröffentlicht.

Beim Coachella-Festival gab es drei Remix-Schnipsel zu hören

Eilishs Albumtitel deutet dabei ähnlich wie der Swifts auf Schmerzhaftes hin. Und ganz verschwiegen blieb die Kalifornierin dann doch nicht. Beim diesjährigen Coachella-Festival im April liefen zum Besuch der 22-jährige Kalifornierin zumindest Teile der neuen Songs „Chihiro“, „L‘Amour de Ma Vie“ und – trockener, funkiger Beginn, dann volle Discopower – „Lunch“: „Ich könnte dieses Mädchen zu Mittag essen / ja, sie tanzt auf meiner Zunge“, singt Eilish da, „sie schmeckt, als könnte sie die Richtige sein“.

Mehr Text gab‘s bislang nicht, und es ist – eingedenk der bisherigen Hörerfahrungen mit der überraschungsreichen Musik Eilishs – nicht unwahrscheinlich, dass auf diese Zeilen der Sinnlichkeit noch ein böser lyrischer Twist folgt.

Die beim kalifornischen Wüstenfest gehörten Sounds waren indes nur Remixe, Versionen der Originalsongs in schimmernder (Indie-)Club-Rüstung. Solche Tanztracks verraten aber nichts über die tatsächliche „Gestalt“ der Stücke. Und doch reichen sie schon, um den Fans die Laune zu verderben. Denn ähnlich wie im Fall von Swift wollen sie, statt alles Verfügbare gierig aufzusagen, keusch bleiben bis Freitag und wünschen dem Coachella-DJ in den Sozialen Medien Böses. Kaum vorstellbar, dass er ohne Eilishs Einverständnis gehandelt hat.

„Birds of a Feather“ scheint ungewöhnlich glatt für einen Eilish-Song

Der Snippet des balladesken „Birds of A Feather“ im gerade erschienen Trailer zur dritten Staffel der Netflix-Serie „Heartstopper“ klingt dann allerdings nach dem Ausschnitt einer finalen Songversion und ist – was die dort gehörte knappe Minute trifft – für Eilish relativ glatt geraten: Die romantische Zeile „Vielleicht lieg ich falsch, aber – Baby – ich werde dich lieben bis ich sterbe“ kontert sie augenzwinkernd mit „Du hast gesagt ‚für immer‘ wäre noch besser“. Pop ohne Kanten? Das wäre sehr ungewöhnlich.

Man weiß nicht viel über „Hit Me Soft And Hard“, das Billie Eilish wie gewohnt mit ihrem Bruder, dem Musiker, Songwriter und Produzenten Finneas O‘Connell schrieb. Im Dezember hatte sie bei Jimmy Fallon in der „Tonight Show“ verkündet, das Album sei nahezu fertig. Zehn Songs sollen enthalten sein, deutlich weniger als auf den beiden Vorgängeralben – da waren es 16 und 14.

Text-Exzerpte, die im April auf großen Werbetafeln in amerikanischen, britischen und australischen Städten erschienen, klangen rätselhaft, wiesen auf desparate Beziehungstexte hin: „Habe ich die (rote) Linie überschritten?“ oder „Sie ist der Frontscheinwerfer, ich bin das Wild“ war da plakatiert.

Die Unterwasseraufnahmen für das Cover, so berichtete der amerikanische „Rolling Stone“, sollen eine Tortur gewesen sein. Von „sechs Stunden Waterboarding“ sprach Eilish. Und fügte hinzu: „Wenn ich nicht irgendwie leide, fühle ich mich nicht gut mit dem, was ich tue.“

Ihre Website wirbt mit dem Superlativ. Das Album sei „ihr bisher gewagtestes Werk“, das man sich „idealerweise von vorn bis hinten anhören sollte“. Der Titel des Werks werde durch die Musik eingelöst – „diese treffe einen sowohl textlich als auch klanglich hart und weich, während sie gleichzeitig Genres beugt und Trends herausfordert.“

Exaltierte Songschönheiten unter bewusst gesetzten Störmanövern

Wer Eilishs bisheriges Werk kennt, weiß, dass dies kein leeres Promotion-BlaBla ist. Anders als bei Taylor Swift spiegelt bei Eilish der Klang eines Lieds den oft auf persönlichen Erlebnissen, Erfahrungen, Gefühlen gründenden Inhalt, beide verbinden sich meist zu einer einheitlichen Songstimmung. Eilishs Songs sind exaltierte Schönheiten (Rap, Trap, Electro, Folk, Jazz, Indierock) unter bewusst gesetzten Störmanövern – verzerrten Vocals, eingeworfenen Geräuschen, die auch mal rhythmisch verwendet werden wie in „I Didn‘t Change My Number“.

Selbst ein herzzerreißendes, einfaches Liebeslied zur Akustikgitarre wie „I Love You“ enthält im Hintergrund eine die Zartheit des Lieds brechende Anweisung einer Flugbegleiterin – und erinnert damit an Simon & Garfunkels „7 O‘Clock News/Silent Night“ von 1966, wo unter der trauten Melodie des Weihnachtsliedes Nachrichten über den Vietnamkrieg und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung verlesen wurden.

In den Eilish-Songs lauern bezwingende Langzeithooks

Rhythmuswechsel, Tempoänderungen, abrupte Songabbrüche – die vornehmlich elektronischen Songs sind Stoff nicht nur für Eilishs Altersgenossinnen und -genossen, die ihr eigenes Leben in den Texten finden, sondern für alle, die sich von Musik nicht nur berieseln sondern durchdringen lassen wollen. Selbst Artrockfans dürften sich an der Experimentierlust der O‘Connell-Geschwister erfreuen.

Nicht jeder Song Eilishs hat dabei ad hoc bezwingende Synthriffs wie „Bad Guy“ oder „NDA“, nicht jeder hat auf den ersten Horch solch verfangende Melodien wie „Therefore I Am“, „Getting Older“ oder „Happier Than Ever“, aber jedes Stück hat bei aller Sperrigkeit lauernde Hooks, an denen der Hörer früher oder später hoffnungslos hängenbleibt.

Die O‘Connells bekamen sofort Grammys und Oscars

Von allen weiblichen Leitgestalten der gegenwärtigen Popweltliga ist Eilish, diese Frau mit dem süßem Monroe-Timbre, dem silbrigen Jazzflüstern und dem somnambulen Murmeln, die Ungewöhnlichste und Interessanteste. Das wurde früh gewürdigt. Nach der Veröffentlichung des in Finneas‘ Jugendzimmer geschriebenen und im Elternhaus aufgenommenen Debütalbums „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ (2019) konnten die Geschwister die Goldenen Grammofone bei der Grammy-Verleihung 2020 (Preise in allen vier Hauptkategorien) kaum tragen.

Zwei Nominierungen, zwei Preise: Für Eilishs Filmsongs „No Time To Die“ (zum letzten 007-Film mit Daniel Craig) und „What Was I Made For?“ (zum Film „Barbie“) gab es 2022 und 2024 jeweils Oscars für die O‘Connells.

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Billie überall – im Reich der Simpsons und im „True Detective“-Thriller

Eilish ist überall: Sie war 2022 sogar der Star eines „Simpsons“-Zeichentrickfilms, in der sie die Lisa Simpson unter einer Freewayüberführung hörte und sie ob ihres expressiven Saxofonspiels à la John Coltrane mit ins Studio nahm. Und die hypnotische Titelmusik zur geisterhaften dritten „True Detective“-Staffel „Night Country“ mit Jodie Foster war Eilishs „Bury A Friend“, das spukige Electrogoth-Funkstück mit den Trennschleifersounds, das man – ist es erst einmal im Ohr – nie mehr los wird.

„Hit Me Hard And Soft“ ist das dritte Full-Length-Album von Eilish nach „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ (2019) und „Happier Than Ever“ (2021). Davor erschien das auch als Extended Play (EP) bezeichnete Mini-Album „Don‘t Smile at Me“ (2017). Erster je veröffentlichter Song war die doppeldeutige Beziehungsbilanz „sHE‘s bROken“ (August 2015), die erste Chartsberührung (in den USA und Großbritannien) erfolgte Anfang Dezember 2015 mit „Ocean Eyes“ – da war Eilish gerade mal 13 Jahre alt.

Mit dem neuen Album wird Billie Eilish am 24. September im kanadischen Quebec eine 81 Konzerte umfassende Welttour beginnen. Der Deutschlandteil beginnt am 2. Mai 2025 in Hannovers ZAG-Arena, es folgt am 9. Mai ein Konzert in Berlin (Mercedes-Benz-Arena), dann am 29. und 30. Mai zwei Auftritte in der Kölner Lanxess-Arena.

Billie Eilish – „Hit Me Hard And Soft“ (Darkroom/Interscope Records) ab 17. Mai online, auf CD und Vinyl, Cassette und Box-Set